Synchronschwimmen, Herren-Einzel

  • Solo-Synchronschwimmer Kommsöf „Eine Gottheit feuert mich an“


    Interview


    Herr von Kommsöf, Sie sind Deutschlands einziger Synchronschwimmer...


    ...im Einzel! Es gibt noch andere Synchronschwimmer, aber ich bin der einzige, der im Einzel synchron schwimmt.


    Ja. Wie sind Sie zu diesem Sport gekommen?


    Es hat angefangen, als ich sechzehn war. Die Pubertät ging zu Ende, und ich war nicht mehr so unsicher darüber, wer ich denn sei. Ich wurde schon recht selbstbewusst und wusste, dass ich das machen muss.


    Die Entwicklungsjahre.


    Ja. Auch körperlich eine ganz gute Zeit. Man sagt, dass man die körperlichen Fähigkeiten im Alter von sechzehn spezialisieren sollte. Ich war eigentlich ziemlich gut in Handball. Dann habe ich aber gedacht: Synchronschwimmen ist besser.


    Eine Affinität zum Wasser gab es also erst mal gar nicht.


    Nein, Wasser mochte ich überhaupt nicht. In Schwimmen hatte ich immer eine Drei minus. In Handball hatte ich eine Zwei minus, da war ich ganz gut. Aber ich mochte das Synchronschwimmen: die Disziplin und auch die Schönheit der Körper im Wasser.


    Wie war das allererste Mal?


    Es war schmerzhaft. Zu erkennen, wie limitiert man als Anfänger in den Ausdrucksformen ist und auch in der Gelenkigkeit. Aber es war auch ein Gefühl wie nach Hause kommen.


    Warum nicht Wasserball? Das liegt in der Mitte von Schwimmen und Handball.


    Man merkt an Ihren Fragen, dass Sie überhaupt keine Ahnung vom Synchronschwimmen haben.


    Das stimmt. Ich kenne nur diese Szene aus „Austin Powers“, wo Austin Powers mit diesen Synchronschwimmerinnen zusammen ...


    Ich gucke keine Komödien, und schon gar nicht, wenn darin das Synchronschwimmen veräppelt wird. Was soll denn das?


    Naja, zu was schwimmen Sie denn synchron, wenn Sie ganz allein im Wasser planschen?


    Das Problem ist, dass ich bislang bedauerlicherweise noch niemanden gefunden habe, der das mit mir betreiben kann.


    Sind Sie dann nicht letztlich auch nur ein Schwimmer?


    Im Gegensatz zu allen anderen Menschen, die mit mir synchron schwimmen wollen - es haben sich durchaus schon welche gemeldet -, bringe ich die Voraussetzungen zum Synchronschwimmen mit. Die anderen denken nur an das Synchrone, während ich der Einzige bin, der auch die Disziplin und den Ehrgeiz mitbringt, es wirklich ernsthaft zu betreiben. Ich will Champion werden!


    Was wollen denn die anderen?


    Synchronschwimmen wird leider in erster Linie von Frauen praktiziert. Die meisten Männer denken da an irgendwelche Gender-Geschichten.


    Apropos, sind Sie schwul?


    Nein, ich bin nicht schwul! Ich finde diese Frage offen gestanden auch unmöglich. Worum geht’s hier? Wollen Sie wissen, was ich mache, oder wollen Sie mich beleidigen?


    Was heißt hier beleidigen? Sind Sie homophob?


    Nein. Naja, jedenfalls sehen die anderen Männer, die Synchronschwimmer sein wollen, nicht, dass man trainieren muss, hart, jeden Tag! Glauben Sie, ich esse die ganze Zeit Kinderriegel? Nein. Ich würde gerne, aber das geht nicht. Die anderen: übergewichtig, zu alt, nicht mit dem notwendigen Ernst bei der Sache. Deswegen bin ich Einzel im Synchronschwimmen.


    Synchron schwimmen bedeutet doch aber, dass mehrere Personen gleichzeitig Bewegungen machen.


    Beim Synchronschwimmen spielt auch Musik eine wichtige Rolle. Man muss sich nicht nur synchron zum Partner, den ich ja nicht habe, bewegen, sondern auch synchron zur Musik. Aber ich gebe gern zu, dass ich mir viel vorstellen muss. Ich stelle mir drei andere vor, wenn ich im Wasser bin. Der eine sieht aus wie Tom Cruise.


    Das ist aber ein sehr kleiner Typ.


    Ja? Ist der klein?


    Extrem.


    Naja, ich bin eher groß, das würde dann gar nicht klappen.


    Aber Sie haben ihn sich schon vorgestellt.


    Ich stelle ihn mir in Größer vor.


    Im Wasser verzerrt sich ja auch die Optik.


    Ja. Die anderen beiden stelle ich mir nicht so konkret vor, das ist auch nicht so wichtig. Wir wollen uns auf komplexere Formationen konzentrieren.


    Was Sie tun, geht anscheinend über Sport hinaus. Haben Sie einen künstlerischen Anspruch?


    Nein, aber ich mache durchaus religiöse Erfahrungen dabei. Vielleicht liegt das auch an der Atmung und am Schwindelgefühl. Aber mehrere Male hatte ich die Empfindung, dass eine Gottheit mich anfeuert. Wissen Sie, die allerwenigsten Menschen haben bei dem, was sie tun, das Gefühl, dass ein Wesen, das unsere Vorstellungskraft übersteigt, ihnen sagt: Tu, was du tust. Es ist gut so. Ich habe das aber.


    Und wie haben Sie gelernt, was Sie tun?


    Ich habe einen Trainer.


    Was ist das für einer?


    Das ist mein ehemaliger Handballtrainer.


    Wie kann der Sie im Synchronschwimmen trainieren?


    Er hat sich bei einer Synchronschwimmtrainerin dafür ausbilden lassen. Ich habe vor einem Jahr eine Gehaltserhöhung gekriegt und beschlossen, das Geld in einen Trainer zu investieren. Dann hat er das Gehalt elf Monate bezogen, um sich ausbilden zu lassen. Zumindest hat er mir das glaubhaft versichert. Und jetzt, seit drei Wochen, trainieren wir.


    Was haben die drei Wochen gebracht?


    Das ist ein völlig anderes Gefühl. Es fühlt sich schon alles viel synchroner an.


    Wie viel Zeit verbringen Sie im Wasser?


    Mindestens eine halbe Stunde täglich. Und dazu kommen noch die Trockenübungen. Man muss sich ja fit halten. Ich mache Gymnastik, Dehnübungen, Muskelschnellkraftübungen...


    Mit welchem Ziel trainieren Sie?


    Für Olympia!


    Gegen wen wollen Sie denn antreten? Olympia ist ein Wettbewerb und keine One-Man-Show.


    Ich arbeite daran, in anderen Ländern diese Disziplin auch aufzubauen. Ich habe eine Internetpräsenz, wo ich Leute dazu auffordere, zu zeigen, was sie machen. Es gibt einen Japaner und einen Ecuadorianer, die das auch betreiben. Und ein Serbe ist kurz davor, sich ernsthaft dem Synchronschwimmen zu widmen.


    Ach so.


    Ursprünglich hatte ich überlegt, dass man dann ja tatsächlich zu viert trainieren könnte. Aber das Problem wäre, dass es dann ja wieder keinen Wettbewerb gäbe, sodass die Olympia-Teilnahme auch unmöglich wäre.


    Diese Männer sind demnach auf Ihrem Niveau?


    Sie behaupten es zumindest. Ich will nicht unbescheiden klingen, aber ich würde denken, dass ich in jedem Fall Champion werden würde. Aber sie versuchen’s.


    Sind Sie schweren Anfeindungen ausgesetzt gewesen auf diesem Lebensweg?


    Ja, aber auf diese Weise entwickelt man ein echtes Selbstwertgefühl - das sich zusammensetzt aus Selbst und Wert und Gefühl.


    Sie sind im Wasser gleichsam synchron mit sich selbst?


    Ich bin im Wasser am meisten wert und fühle das selbst am stärksten.


    Woher kommt diese Faszination?


    Haben Sie mal gehört von der Wasseraffen-Theorie?


    Nö.


    Es gibt viele gute Gründe dafür, anzunehmen, dass der Mensch zwischen der Affen-Baum-Phase und dem Leben als Homo sapiens sich für eine Weile in Küstenregionen im Wasser aufgehalten hat. Das sieht man zum Beispiel an den Härchen auf unseren Armen. Die sind relativ aquadynamisch geformt. Der Mensch gehört ins Wasser. Jedenfalls sitzt das bei manchen von uns sehr tief drin. Einer davon bin ich. Aber Schwimmen ist unnatürlich. Es geht darum, an einer Stelle zu bleiben im Wasser. Aber auf verschiedene Arten und Weisen. Das sind atavistische Tendenzen in mir, fürchte ich, regressive Tendenzen.


    Der Ozean als Uterus?


    Wenn Sie es so platt sagen wollen: ja, vielleicht.


    Die Frage ist nun etwas peinlich, aber Sie stammen bekanntlich aus einem alten, weit verzweigten Adelsgeschlecht...


    Weit verzweigt, aber in den meisten Linien ausgestorben. Ich bin der Letzte.


    Wie auch immer: Ein bisschen dekadent wirkt das schon.


    Wie weit reicht Ihr Stammbaum zurück?


    Hm. 1961.


    Sehen Sie, in dieser Hinsicht unterscheiden wir uns. Mein Stammbaum reicht über tausend Jahre zurück, namentlich verfolgbar.


    Woher kommt der Name Kommsöf eigentlich?


    Söf wie saufen - Wasser. Komm heißt mit. Mit Wasser. Und das seit über tausend Jahren. Sie fragen mich, ob das dekadent ist...


    Ich habe degeneriert gesagt, glaube ich.


    Nein, dekadent! Ich würde aber auch sagen, das ist überhaupt nicht degeneriert. Degeneriert kommt ja von „ohne Generationen“. Bei mir ist es mit.


    Okay. Möchten Sie vielleicht noch die Gelegenheit nutzen, unseren Lesern etwas zu sagen?


    Ja, wer interessiert ist, mitzumachen, kann gern eine E-Mail an solosynchron@hotmail.com richten. Ich werde mir das ernsthaft angucken. Jetzt muss ich aber auch zum Training.


    Dann wünschen wir gutes Gelingen.


    :P


    Gefunden im http://www.der-postillon.com/
    Aus: http://www.faz.net/

    ...und als ich wanderte durch einen dunklen Forst, boten sich mir zwei Wege dar. Ich wählte den, der weniger ausgetreten war...