Szenen eines Cups

  • Szenen eines Cups


    St. Wendel im verlorenen Sommer 2013, irgendwo unter Regenwolken bahnt sich ein gnadenloser Zweikampf an.
    Ein Duell der klassischen Art: 2 Männer, 2 Waffen, eine Abmachung, ein Preis!


    Beginnen wir mit der Vorstellung der Protagonisten, beide in Ehren ergraut, der Eine mit einem unerschütterlichen Humor, der Andere ohne Hals.
    Holger R. und Adam B., Kerle aus dem Holz, aus dem Supermoto-Mittelmaß geklöppelt wird, aber mit einer unerschütterlichen Liebe zum Sport. Mehr kann und muss man zu den Helden der hier niedergeschriebenen Zeilen nicht sagen, die nachfolgenden Generationen werden sie in ihren Liedern verewigen, so, wie es Helden gebührt.

    Die Waffen: Japanische Motorräder mit zahlreichen, edlen Applikationen, gebaut, um Pokale und Bestzeiten zu jagen, sagenumwoben wie die Samurai Schwerter der edelsten japanischen Ritter, die im Kampf um Ehre und Sieg ihr Leben gaben. Obendrein tragen die Mopets noch ein total cooles und individuelles Dekor.


    Die Abmachung: Es geht hier um viel! Für einen Wemser, der nicht den Willen einer Pershing Rakete in sich trägt, oder den eines Löwenzahns, der sich durch Asphalt bohrt, um seinen Blütenkelch den Bienen zur Befruchtung zu präsentieren, wohl auch um zu viel! Es geht nicht darum, als Erster von beiden die Ziellinie zu queren oder die schnellste Rundenzeit in den Asphalt zu brennen. Nein! Es geht darum, wer als Erster aus dem Offroad kommt! Ein Kampf auf engstem Raum, beschränkt auf wenige Sekunden und gerade deshalb ein Kampf, wie er härter und gnadenloser nicht sein könnte.


    Der Preis: Wie kann es anders sein. Der Preis, mit dem der Gewinner dieses Wettkampfes belohnt wird, ist eine Kiste Bier. Wie sonst, wenn nicht mit einem Kasten dieses edlen, von den Göttern gepriesenen Kaltgetränkes, sollte man einen Recken ehren, der diesen Wettkampf für sich entscheidet?!


    Die Musik erklingt, der Einzug der Gladiatoren erfolgt unter den Klängen der unsterblichen Hymne aller Musterathleten und vor Tatendrang berstenden Individuen, TNT, zelebriert von der ebenso unsterblichen und einzigartigen Formation AC/DC.
    Das Fahrerfeld rückt vor auf die Startplätze und sortiert sich. Letzte Handgriffe an die Schutzbrillen und Orthesen, Starthaken werden aktiviert, die Blicke der Piloten fokussieren sich auf die Startampel. Es pisst wie aus Kübeln, die Strecke ähnelt eher einer von Grachten durchzogenen holländischen Ansiedlung als einem Racetrack, aber das kann nun keinen mehr schrecken.
    Holger R. und Adam B. stehen nicht weit voneinander weg, würdigen sich aber keines Blickes mehr.
    Die Konzentration der Fahrer ist nun hörbar, das Knistern in den Schaltzentralen unter den Helmen liegt wie ein Klangteppich unter dem Schraddeln der Rock'n Roll Gitarren und dem hörbar angehaltenem Atem der zigtausend Zuschauer, die nun Zeuge eines Zweikampfes werden, den die Welt seit dem Untergang der Titanen nicht mehr erlebt hat.
    Die Ampel springt auf Grün, die Meute schießt los, wie am Gummiband gezogen.
    Vorderräder steigen gegen den Willen der Treiber auf, Hinterradgummis radieren auf dem glitschigen Geläuf, die Hecks mancher Bikes schlagen wild nach beiden Seiten aus, aber der Pulk strebt vorwärts, fädelt sich in der ersten Kurve ein und obwohl heftig um Positionen gefightet wird, drängt sich dem Betrachter das Bild von der Perlenkette auf.
    Holger R. kommt gut weg, sticht drei oder gar vier Positionen vor Adam B. in den unbefestigten Teil der Strecke.
    B. gibt aber nicht auf, zwingt sein Gerät durch metertiefe Spurrillen und schafft den ersten Sprung ohne Fehler.
    Doch auch R. findet einen Weg über das meterhohe Hindernis und kann seinen Vorsprung sogar noch etwas ausbauen. Die folgenden Kehren meistern beide Piloten im räumlich getrennten Parallelflug und nun kommt der Berg der Entscheidung.
    Der letzte Table signalisiert auch das Ende des Offroads und nun gilt es. Holgi R. treibt die Yamsel den Steilhang hinauf, die Traktion am Hinterrad reißt ab, mit Glück schafft er die Besteigung und wähnt sich schon am Ziel. Noch 5 m geradeaus, dann die Abfahrt und der Gerstensaft ist der seine. Im jetzt schon schlammverdreckten Gesicht entsteht ein Grinsen, zwischen den braungefärbten Lippen blitzen weiße Zähne hindurch, Holger kann den köstlichen Nektar schon schmecken.
    Doch hinter ihm naht Adam B. mit Riesenschritten, er hat die ideale Rinne gefunden, der Vortrieb und damit der Schwung ist auf seiner Seite.
    B. presst das letzte PS aus den Tiefen des Einzylinders, der Bolide brüllt, der Regenreifen krallt sich in den schlammigen Untergrund und katapultiert das edle Gefährt samt Pilot mit unglaublichem Speed vorwärts. Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit rast Adam den Steilhang hinauf und schwingt sich zu einem Satz in die Lüfte, der einem erfahrenen SX-Publikum ehrfürchtigen, aber tosenden Applaus abgefordert hätte. Adam B. whipt den Wemshobel und überspringt Holger R. in mehreren Metern Höhe. Damit nicht genug, nimmt er lässig die rechte Hand von der Lenkstange um dem Konkurrenten eine obszöne Geste mit dem Mittelfinger der freien Hand zu widmen, wobei er im Rausch des Adrenalins noch „LUUUTSCHEEER!“ brüllt. Dann landet er die fliegende Stimmgabelträgerin souverän und biegt kichernd ums Eck, auf den rettenden Asphalt.
    Am Ende wird er unanständig viele Plätze auf den soeben Gedemütigten verloren haben und als einer der Letzten das Rennen beenden, aber dieser Moment und dieser Triumph gehören ihm. Das Bier auch!
    Im nächsten Rennen wird dieses verzweifelt und mit aller Härte geführte Duell wieder ausgetragen, ebenso wie in allen noch kommenden Rennen, mal gewinnt Holger R., mal gewinnt, wie hier eben erzählt, Adam B.
    Bescheuert, aber mit Freude erfüllt, das sind die Szenen eines Cups.


    Klaus W.
    ;)

    ...und als ich wanderte durch einen dunklen Forst, boten sich mir zwei Wege dar. Ich wählte den, der weniger ausgetreten war...

  • Zitat

    Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit rast Adam den Steilhang hinauf und schwingt sich zu einem Satz in die Lüfte, der einem erfahrenen SX-Publikum ehrfürchtigen, aber tosenden Applaus abgefordert hätte. Adam B. whipt den Wemshobel und überspringt Holger R. in mehreren Metern Höhe. Damit nicht genug, nimmt er lässig die rechte Hand von der Lenkstange um dem Konkurrenten eine obszöne Geste mit dem Mittelfinger der freien Hand zu widmen, wobei er im Rausch des Adrenalins noch „LUUUTSCHEEER!“ brüllt. Dann landet er die fliegende Stimmgabelträgerin souverän und biegt kichernd ums Eck, auf den rettenden Asphalt.

    :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen:

  • Freut mich, wenn's Euch gefällt. :square:
    Basiert auf einem lustigen Gespräch bei ein oder zwei Bierchen unter dem Pavillion vom Bröckchenhuster im Fahrerlager am Samstagabend. Schfand dem erzählenswert, weil das Herz des Cups da deutlich wird. :mrgreen:
    Das die da vorne sackschnell sind, ist echt geil und eigentlich auch einen Bericht wert, aber die Geschichten innendrin sind das, was den Gedanken ausmacht. Ich denke, der Heizi hatte sowas seinerzeit im Kopp, als er den Cup erfunden hat. ;)

    ...und als ich wanderte durch einen dunklen Forst, boten sich mir zwei Wege dar. Ich wählte den, der weniger ausgetreten war...

  • Zitat von W11

    GEFÄLLT MIR!!
    Genau getroffen, darum stehen ALLE bei der Siegerehrung vorm Podium !!!!
    Und es wird immer eine der 1.Fragen sein wer das Kistle hat!!!!!
    Ü40 ist Lifestyle!



    Ü40Cup rockt


    Jau! Das die sich alle da unten vor dem Treppchen treffen, hat mir echt imponiert! So geht das! :square:

    ...und als ich wanderte durch einen dunklen Forst, boten sich mir zwei Wege dar. Ich wählte den, der weniger ausgetreten war...

  • Und die Erklärung für sein tun findet sich in der Geschichte selbst.
    Denn "halsbrecherische Geschwindigkeit" macht einem Mann ohne Hals keine Angst...


    Echt geil geschieben und schön daß ich dem Klaus W. und seine bessere Hälfte endlich mal persönlich kennen gelernt habe. So haben wir alle mal wieder ein paar Gesichter zu den Namen... :prost: